Herausforderungen und steter Wandel

Erster Teil und erster Bericht von diesem Einsatz

Montag, 28. Mai 2018

Am 22. Mai bin ich mit einem Volunteer aus Deutschland in Antananarivo gelandet. Gleich am nächsten Tag haben wir uns aufgemacht, die Projekte zu besuchen. Die grosse Schule TENAQUIP von unserem Partner madagascarschoolproject.org war inspirierend. Das Gärtnerteam ist motiviert, die bereits erstellte Anlage wächst an, alle Hänge sind gemulcht und viele Fruchtbäume wachsen an.

Die Bewirtschaftung der Terrassen haben sie nach ihren gewohnten Techniken gemacht, und auch nicht gemulcht. Hier werden wir gemeinsam an neuen Techniken arbeiten. Da wir in der Trockenzeit sind, liegen die Terrassen brach. Nächste Woche beginnen wir mit dem nächsten Bau-Abschnitt und der Pflege der vorhandenen Anlage. Wir werden bis zu 150 Menschen sein, welche gemeinsam ein kleines Paradies um die Schule herum zaubern.

Nach unserem Besuch in der Schule sind wir nach Menalamba rausgefahren. Dort war es sehr ernüchternd. Da es eine Zeit braucht, bis die neuen Methoden voll tragen, haben wir die Bauern versucht mit Geld zu unterstützen, um Ernteausfälle zu kompensieren, und auch, um sie zu motivieren. Das hat mässig funktioniert. Dann, etwa ab Januar diesen Jahres, hat Rivo, unser lokaler Projekt-Verantwortlicher, das Geld in seine eigene Tasche gesteckt, aber weiterhin gute Berichte verfasst. „Alles läuft gut“ – so seine stete Nachricht. Den Bauern hat er gesagt, dass wir nicht wieder kommen und das Projekt zu Ende sei. Daraufhin haben die Bauern alle die Arbeit nieder gelegt und sind zu der klassischen Arbeitsweise zurück gekehrt. Die Terrassen sind da, der Teich sieht wunderschön aus. Die Bananen, der Zuckerrohr und die Ananas Wachsen. Dazwischen Wildpflanzen, „Unkraut“.

„Cimetière des projet – Friedhof der Projekte“ nennt man die Gegend auch, es sind schon dutzende gescheitert hier draussen. Ich möchte ehrlich mit euch sein, und euch auch die Misserfolge mitteilen. Auch wenn es „Werbetechnisch“ ungeschickt ist. Es ist nicht einfach, hier etwas zu tun. Scheitern ist ist leider Teil der Arbeit. In dieser Zielregion sind bisher ALLE Projekte gescheitert, ähnliches gilt fürs ganze Land. Selbst das „geschützte Hochmoor“ von mehr als 1000ha Grösse, welches dem internationalen RAMSAR Schutzabkommen unterliegt, wurde bereits zu 80% zerstört. Ich erlebe es live mit.

Helfen zu wollen, wenn man nicht gefragt wurde, ist unmöglich und grenzt an Arroganz. So hatte ich das Wort „manampy – helfen“ auch möglichst vermieden. Eigentlich fühle ich mich mehr wie ein Kind, das viele Bonbons bekommen hat, und es mit seinem Nachbarkind teilen möchte, das nicht so viele bekommen hat. Oder wie ein globaler Bürger, welcher den Madegassen ein Geschäft vorschlägt. Sie hören auf den Urwald abzubrennen, wir geben Ihnen dafür eine neue, einfachere Anbautechnik, und so haben beide was davon. Es hat mich von Anfang an beschäftigt, wie ich auf die Menschen zugehe. Lebe mit ihnen, spreche ihre Sprache, esse das einfache Essen im Busch, dusche mit einem Eimer. Meine Strohmatraze bringt mich durch die Nacht.

Bisher ist es mir aber nicht gelungen, den Menschen die Vision, die Idee zu vermitteln. Es liegt wohl auch daran, dass die Menschen solch eine andere Geisteswelt haben, das wir uns Gegenseitig quasi nicht verstehen (über die einfachen alltäglichen Dinge hinaus). Wissen, Weltanschauung, Begriffsbildung, Philosophie, Moral. Alles komplett anders.

Ich bin Niedergeschlagen und würde am liebsten das Handtuch werfen. Nach Hause fahren. Mich in eine Ecke verkrümmeln und nichts mehr von der Welt sehen wollen. Ich fühle mich schuldig und werfe mir vor, warum ich es nicht anders angegangen bin – vor allem aber, dass ich unserem jungen Rivo soviel Geld und Verantwortung zugemutet habe. Ich hätte es wissen müssen… es tut mir wirklich Leid um ihn. Auch wenn er es natürlich selbst in der Hand hatte, trage ich einen grossen Teil der Verantwortung. Sein Leben hat er fürs erste zerstört.

Ein kleiner Trost, 15 Kilometer entfernt, ist die Anlage von Monique. Dort haben wir letztes Jahr eine Anlage errichtet. Monique ist bereits seit Jahren engagiert und arbeitet mit progressiven Methoden. Sie hat die Arbeit fortgeführt, obwohl seit unserer Abreise keine Hilfszahlungen flossen. Sie hat sogar Arbeiter bezahlt, um weitere Terrassen zu bauen. Einen davon werden wir in den nächsten 8 Wochen ausbilden.

Sahamamy: Oberhalb des Hauses entwickelt sich ein neuer Naturwald, um das Haus die Terrassen. So könnten wir den Urwald effektiv vor der totalen Ausrottung schützen. Technisch haben wir proof of concept. Menschlich, politisch und kulturell liegt noch ein Weg vor uns.

In den Süden sind wir nicht gekommen, die Reise wäre zu lang gewesen. Von dort werden wir euch in ca. einem Monat berichten.

Bis dahin wird für Menalamba folgendes gelten. Unser Verantwortlicher wird sicher von seiner Position entfernt. Welche Konsequenzen es noch geben kann, werden wir ermitteln, auch, ob wir etwas zurück verlangen können (z.B. auf Druck einer Versammlung der Bauern).

Wie es sonst weiter geht, müssen wir noch sondieren. Die Zahlungen sind für den Moment alle eingestellt, da die Bauern ja auch von selbst kein Engagement gezeigt haben. Wir haben den Bauern die Situation erklärt und werden uns nach dem Bau der Schul-Anlage Tenaquip um die Situation kümmern. Eines ist sicher: Rational und Abstrakt können wir die Vision der neuen Landwirtschaft nicht vermitteln. Eine gut ausgebildete Fachperson haben wir (noch) nicht für die Region, welche die Sache verantwortungsvoll tragen könnte. Ich kann dies auch nicht leisten.

Am Wochenende kommen zwei weitere Volunteers, welche in der Schule helfen werden. Gemeinsam werden wir reflektieren, wie die Arbeit weiter gehen kann.

Gerne nehmen wir auch Feedback und Ideen von euch entgegen.

info@permapartner.org oder info@tany.ch

Es tut mir Leid, euch schlechte Nachrichten zu übermitteln, und hoffe auf euer Verständnis für die Situation.